MEIN MENSCHENBILD

Wir Menschen sind, wie alle lebenden Organismen, komplexe Wesen aus einem physischen Körper, einem Geist, der mit elektrischen Impulsen erklärt werden kann, und einer Seele, die sich bisher nicht messen lässt.

Mit Mikroorganismen, Pilzen und Pflanzen haben wir nicht viel mehr gemeinsam als die gleichen Bausteine, die Nucleinsäuren, die genetische Informationen enthalten. Vernünftig, sinnvoll verhalten wir uns alle, wenn wir die gegebenen Möglichkeiten bestmöglich und so nutzen, dass sie in Balance stehen. Der Unterschied zu Tieren liegt in meinen Augen darin, dass wir unsere Möglichkeiten und Grenzen nicht nur individuell lernen, sondern auch – weil wir das komplexeste Gehirn und Hände haben – von Menschen, die wir nicht einmal kennen, aber auch von allen anderen Arten von Lebewesen, von der Natur lernen könn(t)en – dadurch, dass wir unsere Erfahrungen, unser Wissen, unsere (künstlerischen) Fähigkeiten unserer Nachwelt hinterlassen können, dass wir sogar unsere Zukunft bewusst planen und darüber entscheiden können. Wir Menschen könn(te)n über den Tod hinaus denken, wenn wir woll(t)en, und wissen, dass das, was wir im Leben tun, nicht nur Auswirkungen auf uns selbst, sondern auch auf alles um uns herum hat.

Auch Tiere haben ein mehr oder weniger ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden,; sie können ehrlich sein oder – wie Menschen – zum Spaß, also zur eigenen Unterhaltung oder Belustigung anderer, aus Langeweile, also um die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu lenken, die kreative Ideen haben könnten, oder aus – berechtigter oder unberechtigter – Angst (vor Gefahren), also  zum Überleben auf „dumme Gedanken“ kommen, täuschen und „lügen„. Allerdings gibt für mich bisher keine Belege dafür, dass sie – wie wir Menschen – von einem „schlechten Gewissen“ begleitet werden würden, wenn sie niemand auf frischer Tat ertappt. Es macht keinen Sinn, wenn es „nur“ um das eigene Überleben (in diesem Leben) geht, die eigenen Handlungen als gut oder schlecht über das direkte Ergebnis hinaus zu beurteilen. Es macht für (freilebende) Tiere keinen Sinn, wider „besseren“ Wissens, nur weil andere es erwarten oder sich wünschen, in einer bestimmten Weise zu handeln. Eine Bewertung von Dingen, anderen Wesen oder Taten über den eigenen Horizont hinaus macht keinen Sinn, wenn man keine Möglichkeiten hat, andere daran teilhaben zu lassen. Für Lebewesen macht es keinen Sinn, nicht nach bestem Wissen und Gewissen zu leben. Nur Menschen tun das: Sie versuchen, ihre „guten“ und „schlechten“ Erfahrungen und ihr Wissen weiterzugeben, um andere vorzuwarnen oder zu moralisieren, also auf „bessere Wege“ zu bringen, wenn sie denken, dass die vom „richtigen“ abgekommen wären – statt sich gegenseitig dabei zu helfen, bestmöglich zu leben (und nicht unnötig viel Natur dabei zu zerstören).

Ich habe manchmal den Eindruck, ich habe ein „besseres“ Bild von einigen Menschen als sie von sich selbst.
Auf der anderen Seite habe ich unterschätzt, wie grausam Menschen werden können, wenn sie von „ihren eigenen Erwartungen“ – dem, was sie sich im Leben und von anderen Menschen wünschen oder erhoffen – enttäuscht werden (und wie sehr sie trotzdem ihre liebenswerten Seiten behalten können).
Ich habe unterschätzt, wie sehr die Welt von sogenannten „MoralistInnen“ geleitet oder regelrecht beherrscht, wird, in meinen Augen kleinherzigen oder „herzlosen“, angstgetriebenen oder bauchgesteuerten, armse(e)ligen und engstirnigen EgomanInnen, die nicht nur glauben, sie könnten oder müssten ihren „niederen Instinkten“ entrinnen und nach höheren Zielen streben, sondern sie dürften das auch von allen anderen Menschen erwarten.
Anderen Menschen nicht die gleichen Erkenntnisfähigkeiten zuzutrauen und zu glauben, ihnen vorschreiben oder sich von ihnen sagen lassen zu müssen, was gut oder schlecht für sie ist, zeugt für mich von fehlender Menschenkenntnis bzw. Ungeduld gegenüber anderen, die mehr Zeit für dieselben Erkenntnisse brauchen.
Nur Menschen, die nicht alle Menschen für gleichwertig halten, können bereit sein, nach Ruhm und Ehre bzw. Reichtum im Außen zu streben, dafür Erfolgsleitern emporzuklettern oder/und sich (gleichzeitig) zu versklaven und dabei in gewisser Weise das eigene Menschsein, die eigene Menschenwürde, zu verraten (um sich dabei sozusagen eine andere, bessere, höhere, würdigere Identität zu verschaffen).

Ich habe unterschätzt, wie leicht oder „gerne“ (weil ihm nichts anderes einfällt) das menschliche Ich (egal ob als Selbst, das ich dem Herz zuschreiben würde; als Ego, das für mich im Bauch liegt; oder als Persönlichkeit, die wir uns im Kopf zusammenbastelt) in Gegenwart anderer lügt, – in erster Linie aus Angst (vor dem, was andere denken könnten), also als Überlebensstrategie – während das, was in seinem Inneren entsteht, nur ehrlich sein kann.
Ich habe nicht bedacht, wie wütend Menschen werden können, wenn sie beim Lügen ertappt werden, weil sie sich in ihrem Leben nicht selbst treu geblieben sind, sondern sich anderen untergeordnet haben – sei es beim gezielten, hochmütigen Verbreiten von Unwahrheiten oder dem Sich-Selbst-Belügen (einseitigen Betrachten), z.B. bei der Behauptung, etwas wäre (gar nicht) da, obwohl es sich (nicht) nachweisen lässt.

Die Welt von Heute wird von Menschen beherrscht, die sich einseitig – von ihrer eigenen Vernunft, ihrem Bauch, ihrem Herzen oder einem Über-Ich, also von ihrer Außenwelt – bestimmen lassen. Viele scheinen nicht zu wissen, wer sie eigentlich selbst sind bzw. wie sie in einer Welt der Lügen und Täuschung, der Verkleidungen und Kaufanreize oder anderen Verlockungen, auf sich selbst oder andere Menschen vertrauen können, weil sie sich nicht auf ihre eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse, ihre Intuition, ihr Gewissen und ihre individuellen, daraus entstehenden Möglichkeiten verlassen können. Solange es „übermächtige“ Menschen gibt, die das Leben anderer gestalten dürfen, wird es auch die geben, sie sich ihnen freiwillig unterordnen.

Ich bleibe optimistisch, dass wir Menschen irgendwann erkennen bzw. lernen können, uns hinsichtlich unserer Erkenntnisse einig zu werden, und unser gemeinsames Wissen sinnvoll, im Sinner unser aller Zukunft, nutzen werden – weil das der Lauf der Dinge, der natürlichen Evolution ist, die Menschen weder verhindern noch beschleunigen werden. Das ist zumindest meine Meinung bzw. das Bild, das ich von unserer Welt habe.
Menschen bräuchten keine Angst vor dem Naturrecht haben, wenn sie darauf vertrauen könnten, dass die Erfüllung ihrer Pflicht/en gegenüber der Natur sie vor ungerechten Strafen schützen wird.