Tote soll man weder wecken noch ihren Geist künstlich am Leben erhalten, wenn ihr Körper längst gestorben ist
Warum es sinnvoller ist, unser Ahnen in Erde zur Ruhen kommen zu lassen oder ihre Körper dem Wind, Wasser oder Feuer zu übergeben und uns nur – schöne oder schaurige – Geschichten über sie zu erzählen statt – gezielt oder unbewusst – „böse Geister“ damit am Leben zu erhalten oder zu neuem zu erwecken, dass wir ihr „Werk fortführen“ oder ihrem „guten“ Beispiel folgen
Von Natur aus ist uns Menschen nicht nur ein Urvertrauen und eine (Gut-)Gläubigkeit, sondern auch eine „gesunde Portion“ Skepsis mit auf unseren Lebensweg gegeben worden. Beide bzw. beides so sinnvoll zu nutzen, dass sie nicht irgendwann am eigenen Verstand zu zweifeln beginnen, macht vielen Menschen so viel Mühe, dass sie sich im Laufe ihres Lebens entweder darauf festlegen, erst einmal
- allen und alles zu glauben bzw. für bare Münze, also ernst zu nehmen und hinterher beginnen, darüber nachzudenken, ob sie nicht jemand veräppelt oder ein X für ein U vorgemacht hat, oder darauf,
- Skepsis walten zu lassen und dann zu überprüfen, was Wahres daran sein könnte.
Für mich als Natur- bzw. Lebenswissenschaftlerin gibt es keine „untoten Organismen“, die ihren Körper oder auch Geist noch völlig selbstständig bewegen können – weil autonome, absichtliche Bewegung neben Wachstum und Entwicklung bzw. Evolution, Stoffwechsel, Reizbarkeit, also Emotionen, und Fortpflanzung eines der Kennzeichen lebendiger Wesen ist. Mit zunehmendem Alter kann zwar die Fortpflanzungsfähigkeit abnehmen, der Stoffwechsel sich verlangsamen, die Reizbarkeit verändern und der körperliche Verfall einsetzen, aber sobald der ganze Organismus „tot“ – erloschen, ausgehaucht, versiegt, zur Erde zurückgekehrt – ist und keinerlei Reaktionen mehr zeigt, die auf ein Bewusstsein hindeuten, wird er – meiner Meinung nach – ohne künstliche Energiezufuhr nie mehr von alleine aufstehen und selbstständig Unheil anrichten können.
Ich glaube allerdings, dass Menschen, die sich wenig für ihre Abstammung oder Blutsverwandtschaften interessieren, sondern sich damit begnügen, also wohl genug fühlen, Seelenverwandte oder Brüder bzw. Schwestern im Geiste zu haben, gefährdet sind, sich auch über den Tod hinaus von ihnen oder etwas bzw. anderen, die sie an sie erinnern, in Besitz nehmen zu lassen, um in ihrem Sinne zu handeln. Mir erscheint die Gefahr von „Geisteskrankheiten“ bzw. des – körperlosen oder leibhaftigen – Geisterglaubens besonders hoch, wenn Menschen selbst keine Ideen (mehr) haben, wie sie mit Hilfe ihres eigenen Körpers und Geistes Zufriedenheit in ihrem Leben erfahren bzw. ihren Lebenssinn finden können, bzw. wenn ihnen auch die Hoffnung fehlt, sich selbst in ihrem „realen“ (Alltags-)Leben verwirklichen zu können.
Ich wünschte, ich könnte vielen von ihnen bewusst machen, wie – aus (verhaltens-)ökologischer Sicht – nachhaltig wert- bzw. sinnvoll vieles von dem ist, was sie tun oder auch glauben und hoffen, und wie unsinnig vieles andere – weil es nur dazu führt, dass sie sich weiter im Kreis drehen bzw. in Kreisen bewegen, die mehr dem Tod, Krankheiten und den (Un-)Toten huldigen statt dem Leben und denen, die sich freiwillig dafür aufopfern.
Denn: Ohne dass etwas vergeht, kann nie etwas völlig Neues entstehen, was nicht Gefahr läuft, wieder von denen, die vorher da waren (und am besten ewig weiterleben wollen), überwuchert zu werden.
Es ist tröstlich zu wissen, dass die Seele der Natur mit Sicherheit mehr Zeit bzw. Ausdauer darin hat, auch über die menschengemachten, ideellen bzw. ideologischen Grenzen hinweg und allen strengen Kontrollversuchen trotzend, überall immer wieder neue Tier- und Pflanzen- oder auch Pilzarten und Mikroorganismen „einwandern“ oder „einschleppen“ zu lassen, die irgendwann diejenigen (wieder) verdrängen werden, die Menschen dort am liebsten hätten (weil sie sich an sie gewöhnt haben).
Auch viele der alten, vor allem von älteren und/oder sprachbegeisterten Menschen (wie mir) gerne angeführten Sprichwörter, in denen ein wahrer Kern steckt, während sie klingen, als kämen sie aus (un-)toten auf „Dauer- oder Endlosschleife“ eingestellten Denk- oder Sprachapparaten, gehören eigentlich längst in die Mottenkiste. Denn es ist z.B. ein Un-Ding, „Un-Kraut vergeht nicht“ für etwas Ärgerliches zu halten – während „alle Welt“ längst den Wert wildwachsender und anpassungsfähiger, widerstandskräftiger Kräuter für die eigene Ernährung und die Gesundheit der Natur erkannt haben könnte.
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Dank für das Foto gebührt Daniel Jensen (auf Unsplash)!
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