Die Jagd nach Trophäen und Erfolgserlebnissen bzw. nach dem „heiligen Gral“ mit dem „Lebenselixier“, das dem eigenen Leben einen Sinn geben soll
Wie aus friedliebenden Menschen mit einer angeborenen Hemmung, anderen auch nur ein Haar zu krümmen (sobald die dabei Schmerzen äußern würden), skrupellose, ehrgeizige Jäger oder auch Sammlerinnen werden können, die sich selbst oder anderen Mut beweisen bzw. Beweisstücke dafür behalten „müssen“
Kein einzelner Mensch wäre meiner Meinung nach jemals auf die Idee gekommen, sich „nur“ zum Zeitvertreib, ohne bereits ein festes Ziel bzw. Erfolgserlebnis vor (den inneren) Augen zu haben, auf eine anstrengende, (zeit- und energie- oder trainings-)aufwendige Jagd oder Sammelreise zu begeben. Um uns überhaupt zu bewegen, also aktiv zu werden, brauchen wir Menschen einen Grund bzw. eine Anregung (unserer Nerven), d.h. einen – über– oder unterschwelligen, bewussten oder unbewussten, Impuls, der uns entweder auf eine Idee oder aus der Ruhe bringt, weil ein Erfolgsorgan von diesem (Sinnes-)Reiz „angesprochen“ wird bzw. wurde. Die ersten Trophäen- bzw. Beutejäger und -sammlerinnen müssen also entweder mit etwas überreizt, vielleicht von anderen dazu herausgefordert worden sein oder sich selbst etwas davon versprochen haben, etwas in ihren Besitz bringen, umarmen bzw. mit ihren eigenen Händen (z)erlegen oder zu etwas anderem weiterverarbeiten bzw. nutzen zu können.
Menschen fühlen sich – als von Natur aus soziale Wesen – sowohl nicht gerne alleine als auch unfähig, einen – irgendeinen – Beitrag dazu leisten zu können, dass es auch allen anderen Menschen in ihrer Gemeinschaft gut geht, sich also alle miteinander wohl fühlen. Es gibt allerdings Menschen, die erzielen in ihrem Leben bereits von frühester Kindheit an automatisch, ohne dass sie sich besondere Mühe geben müssen, immer wieder „Glückstreffer„, die sie selbst mit Stolz erfüllen bzw. ihnen das Gefühl vermitteln, damit auch andere glücklich(er) oder zumindest fröhlich machen zu können, dass sie mühelos – intuitiv – zur richtigen Zeit am richtigen Ort Ziele anvisieren und verfolgen oder zuschlagen bzw. „einfach“ – aufs Geratewohl – darauf losschießen. Weniger glückliche Menschen sind – aus welchen Gründen auch immer – weniger zufrieden mit dem, was sie auf relativ einfache Weise erreichen können, ohne danach jagen zu müssen, – einfach indem sie viel unterwegs sind, Augen und Ohren offen halten und auf Möglichkeiten warten, die sich ihnen bieten.
Ich persönlich glaube nicht, dass irgendein (Lebe-)Wesen von Natur aus hart um sein Leben kämpfen oder dafür trainieren muss, ohne dass es auch Lust darauf hat und Freude dabei empfindet oder wenigstens einen Sinn darin erkennt. Ich sehe aber, dass viele Menschen Vorbildern folgen, die ihnen gar nicht genug Zeit lassen, immer wieder auch in sich zu gehen, um die eigenen Gelüste bzw. dahinter steckenden (Verlust-)Ängste zu entdecken, den inneren (Jagd-)Trieb also zu hinterfragen.
Nicht alles, was sich von der Stelle bewegen kann und erst mühsam eingefangen oder anders dingfest gemacht werden muss, damit wir etwas davon haben, ist – auch wenn es unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht – überhaupt „etwas Besonderes“, also gut oder sinnvoll bzw. notwendig für uns.
Wer sich ein erfolg- bzw. ereignisreiche(re)s Leben wünscht, könnte beginnen, sich darauf zu besinnen, dass es bereits ein täglicher Erfolg ist, in einer der Schwerkraft (oder des Schwermuts) und anderen Naturgesetzen unterworfenen Welt
- Lebensgefahren zu meistern, also weder zu unvorsichtig noch zu rücksichtslos zu sein oder zu wenig um sich schauend vorzugehen, um das eigene Leben dabei nicht unnötig zu riskieren;
- mit empfindsamen Wesen ohne eine gemeinsame bzw. völlig identische, (Körper-)Sprache oder (Antriebs-)Kraft dazu zu kommunizieren oder Gemeinschaften zu bilden, ohne dabei anderen Schmerzen und Leid zuzufügen;
- die eigene Bewegungsfaulheit zu überwinden, also in Gang zu kommen, wenn es notwendig ist;
- sich selbst immer wieder zu bremsen, wenn man Widerstände überwunden hat und so sehr in Fahrt gekommen ist, dass es (lebens-)gefährlich wird.
Ein stärkeres Bewusstsein für Ereignisse im eigenen Leben gewinnen Menschen leicht, wenn sie etwas weniger mit der Zeit gehen oder sich einfach (von anderen) treiben lassen und sich stattdessen konzentrierter, fokussierter, also (an)gespannt(er) mit der eigenen Vergangenheit, dem Moment oder den eigenen (Lebens-)zielen beschäftigen: was sie alles verpasst, versäumt oder noch nicht getan haben, obwohl es ihnen nicht einmal besonders schwer gefallen wäre, weil sie mit „Wichtigerem“, vielleicht der Sammlung von Erinnerungsstücken, beschäftigt waren – in der Hoffnung, sie mit anderen teilen zu können.
Ich habe in meinem Leben schon viele abenteuerliche (Jagd- oder Sammel-)Geschichten gehört, von Menschen, die sich auf die Lauer gelegt oder auf die Pirsch, also eine Beobachtungstour bzw. Suche begeben haben, bis das Objekt ihrer Begierde bzw. (Sehn-)Sucht in ihr Visier gerückt ist. Oft würde ich mir wünschen, dass Menschen beim Erzählen auch alles auffallen würde, was mir dazu in den Sinn kommt … Allerdings befürchte ich, die meisten hat noch niemand auf die Idee gebracht, dass sie von Natur aus gar nicht dazu geboren wurden, nach Trophäen jagen oder aufregende Abenteuer sammeln zu müssen. Für intelligente, kreative Wesen gibt es vielseitige – gewaltfreie und unblutige, friedliche, entspannende – Alternativen, wenn sie ihr (Lebens-)Glück bzw. den Sinn in ihrem Leben finden möchten. Der erste Schritt ist wahrscheinlich die (Selbst-)Erkenntnis, dass es sowohl unsere innere Einstellung (zum Leben und zur Jagd nach Trophäen oder zur Suche nach möglichst vielen abenteuerlichen Erlebnissen) als auch unsere Erziehung bzw. unser Glaube ist, der bzw. die uns häufig davon abbringt, uns damit abzufinden, dass es vielleicht „nur“ unsere (Lebens-)Aufgabe ist, (Lebens-)Erfahrungen um ihrer selbst – ihrer Vergänglichkeit – willen zu sammeln. Wir können versuchen, sie symbolisch – in Form von Trophäen – aufzubewahren, um die „schönen“, lehr- oder erfolgreichen Momente nie zu vergessen, die – vermeintlich – so eng mit ihnen verbunden sind, dass wir sie sogar mit anderen dadurch teilen können, dass wir sie ihnen einfach nur zeigen.
Stattdessen könnte heute allerdings allen Menschen klar sein, dass andere Menschen nur nach- bzw. mitfühlen können, was sie bereits selbst – zumindest in ähnlicher Form – erlebt haben und was für sie gleichzeitig denselben Stellenwert besitzt.
Für mich als Verhaltensökologin steht in Zeiten einer globalen, ökologischen Krise und knapper Ressourcen an allererster Stelle, Energie zu sparen und alle bereits verfügbaren Materialien kräfteschonend zu mobilisieren, das heißt, sie vielfältig – so dass viele Menschen etwas davon haben – zu nutzen. Allen Menschen, denen das Vertrauen fehlt, dass sie – wenn es wirklich (überlebens-)wichtig für sie sein sollte – sich an alles erinnern werden, was sie in ihrem Leben einmal erreicht haben, würde ich empfehlen, sich einmal genauer zu überlegen, wie (lebens-)notwendig und nachhaltig die eigenen, früheren, persönlichen (Jagd-)Erfolgserlebnisse eigentlich waren bzw. welche Rolle sie heute noch – vor allem im Leben anderer – spielen.
Genauso wenig wie jeder Tag – ohne dass wir bewusst unsere eigene kreative, also schöpferische Vorstellungskraft dazu gebrauchen, die fehlende Teile ergänzen kann – ein ganz besonderes Erfolgserlebnis mit sich bringen kann, kann ein einziges Symbol oder Sinnbild einen unbeschreiblich schönen oder den schönsten Moment im eigenen Leben ganz einfach darstellen. So leicht macht es uns das Leben nicht – vor allem, wenn wir uns beim (Nach-)Jagen von Träumen, die bereits viele andere vor uns verfolgt haben oder noch weiter verfolgen, selbst darin verfangen, das zu glauben, statt dafür zu sorgen, dass wir immer auch Menschen in unserer Nähe haben, die wir liebevoll anschauen, berühren und in den Arm nehmen können, ohne dass sie dabei wie zu einer (Sieges-)Säule erstarren oder sich womöglich sogar dagegen sträuben.
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Dank für das Foto gebühr Nataliya Voitkevich (auf pexels.com)!
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