Das Leben lieben und die (Versprechungen oder Erwartungen der) Vergangenheit in Frieden los- oder ruhen lassen
Warum zur Liebe für die Natur nicht nur gehört, sich mit allem und allen verbinden zu wollen, sondern auch – trotz Widerwillens – einige Menschen oder auch Dinge einfach so sein zu lassen, wie sie vielleicht sein müssen bzw. sein oder sich selbst gehen lassen wollen
Alle Lebewesen brauchen eine Lebensaufgabe, für die ihr Herz schlägt, so dass es sich für sie zu leben lohnt. Ohne einen „Lebenszweck“ fühlen sie sich schnell nutzlos und können oftmals keinen Sinn darin erkennen, überhaupt aufzustehen und Nahrung zu sich zu nehmen, die sie erst sammeln und womöglich noch für sich alleine zubereiten müssten. Wem die (Herzens-)Energie – der Mut zu leben bzw. die Neugier, noch Neues zu versuchen, oder die Wut auf das, was ist – fehlt, die aufgewendet werden müsste, um aus den eigenen (Muskel- oder Nerven-)Tätigkeiten neue Energie gewinnen zu können, braucht Unterstützung – einen Antrieb – von Außen. Nicht alle Menschen wissen, welche Energiereserven in ihnen stecken, die sie – als Starthilfe – abrufen könnten, wenn sie davon überzeugt wären, dass es sie gäbe.
Nicht alle Menschen haben das Glück, in Familien hineingeboren zu werden, die ihnen die Möglichkeit bieten, diese Energiereserven zu entdecken und während ihrer Entwicklung nicht nur auf Sparflamme laufen zu müssen, sondern gewissenhaft zu nutzen – so dass sie dabei nicht mit der Zeit ausbrennen, weil sie vergessen, für ausreichend Luftzufuhr zu sorgen.
Nicht alle Menschen haben das Glück, dazu erzogen bzw. mit so viel (Lebens-)Energie ausgestattet worden zu sein, um auch „(Energie-)Krisen“ wohlbehalten überstehen und selbstständig – mit ausreichend Zeit und Geduld – wieder zu neuen Kräften gelangen zu können.
Nicht alle Menschen kommen mit Veränderungen, die jedes Leben mit sich bringt, gut klar – vor allem, wenn sie dabei etwas oder jemanden verlieren, das, den oder die sie geliebt haben.
Dabei können wir Menschen uns bewusst – aus Vernunftgründen – gegen die Liebe entscheiden, indem wir den Fokus auf das setzen, was unsere Liebe trübt. Denn wie jedes Leben ist auch die Liebe etwas Vergängliches, wenn sie nicht bewusst – mit Sorgfalt – am Leben gehalten wird. Wir sind dazu fähig, etwas sein zu lassen, was wir eigentlich liebend gerne tun würden (weil wir uns damit verbunden oder auch „nur“ dazu berechtigt fühlen) und stattdessen Verzicht zu üben. Aus dem Fasten, indem wir (Verdauungs-)Tätigkeiten einstellen, lässt sich sogar Energie schöpfen für etwas Neues, was wir stattdessen mit uns anfangen wollen.
Weil wir von Natur aus kaum in der Lage sind, unsere Lebensbedingungen oder Mitmenschen und anderen Lebewesen, die ihr Leben auch lieben, immer so zu verändern, dass sie uns zu jeder Zeit alles bieten, was wir uns wünschen, – also ein an unsere Ansprüche angepasstes, völlig sorgloses Leben zu führen – müssen wir vor allem unsere Bedürfnisse nach Liebesbeziehungen und anderen Bindungen anpassen können.
Leben bedeutet Beziehungsarbeit, weil wir uns allein auf der Welt verloren vorkommen, egal ob dabei Verbindungen zu anderen Menschen, Tieren, Pflanzen oder sogar Dingen und wiederum damit verbundenen Tätigkeiten aufgebaut oder getrennt werden.
Wir alle können nur für uns selbst entscheiden, für wen oder was wir arbeiten gehen, also (Lebens-)Energie aufwenden wollen. Es ist allerdings illusorisch zu erwarten, dass andere das umgekehrt auch völlig freiwillig – ohne es uns jemals versprochen zu haben – für uns tun, wenn wir dazu (gerade) nicht (mehr) in der Lage sind. Die Fähigkeit, etwas oder andere zu lieben oder lieber zu vergessen, sich also möglichst fern davon oder von ihnen zu halten, hängt z.B. davon ab,
- welche Erfahrungen und Gefühle – von Verbunden- oder Zufriedenheit und Dankbarkeit bzw. Sehnsucht oder einem Verlust- für uns damit verbunden sind,
- ob wir uns auch in der Zukunft noch etwas von einer gemeinsamen Vergangenheit versprechen,
- ob damit ein natürliches (oder ein von einer nach Wohlstand und Bequemlichkeit strebenden Gesellschaft künstlich geschaffenes) Bedürfnis gestillt wird oder (Zukunfts-)Ängste beseitigt werden (könnten) und
- wie viel Liebe und Verständnis oder Vertrauen und Dank wir dafür (zurück geschenkt) bekommen.
Es gibt Menschen, denen es aufgrund ihrer eigenen Lebenserfahrungen besonders schwer fällt, andere Menschen allein – leben, aber vielleicht auch sterben – zu lassen; denn jedes Leben kann jeden Tag zu Ende sein. Wenn andere – selbst wenn sie sich in Lebensgefahr befinden oder begeben wollen – gar nicht um Gesellschaft oder Ratschläge, also „Hilfe von Außen„, gebeten haben, kann es Menschen (sinnlos) eigene Lebensenergie rauben, sich ihnen „aufzudrängen“. Es macht mehr Sinn, belastet also niemanden unnötig, sie in Frieden tun oder gehen zu lassen – nachdem man ihnen alles mitgegeben hat, was man ihnen mit auf ihren Weg geben wollte.
Etwas Wichtiges nicht rechtzeitig beachtet oder vergessen zu haben, kann Menschen im Nachhinein immer ein schlechtes Gewissen machen. Das zerstört auf Dauer jede Lebenskraft oder Liebesfähigkeit – vor allem, wenn Menschen nicht wissen, wie sie es wiedergutmachen könnten.
Die Vergangenheit oder Verstorbene ins Leben zurückholen kann niemand. Aber solange Leben und die Liebe dafür in uns steckt, könn(t)en wir darüber nachzudenken oder damit rechnen, dass das eigene Leben auch ein eigenes Sterben nach sich zieht – eng verknüpft mit oder losgelöst von anderen bzw. einer gemeinsamen Vergangenheit, die für deren Zukunft über ein paar Erinnerungen hinaus keine unnötig große Rolle mehr spielen sollte.
Eine einseitige Erinnerungskultur an schöne alte Zeiten verhindert für die, die nach uns kommen, eine schöne Zukunft genauso wie eine fehlende an alles, was bereits in der Vergangenheit vielen Menschen ihr Leben oder ihre (Liebes-)Beziehungen gekostet hat. Viele Menschen neigen immer noch dazu, die Welt nur in Schwarz und Weiß zu sehen und Freud‘ oder Leid, gute oder schlechte Taten, richtige oder falsche Meinungen, freundliche oder böse Menschen, friedliche oder gefährliche Tiere etc. zu unterscheiden – weil andere ihnen wiederholt erklärt haben, dass sie sich entscheiden müssen, selbst wenn sie sich überhaupt (noch) nicht sicher sind bzw. in der Vergangenheit waren.
Am Ende wird sich für jeden und jede von uns zeigen, ob sich unsere Entscheidungen oder Willenserklärungen vor allem für uns oder für andere – denen wir uns verbunden gefühlt oder die wir zurückgelassen haben – gelohnt haben. Es kann einen großen Unterschied machen, entweder für das, was man selbst liebt, oder für das, wofür man von anderen geliebt (und gelobt wird) zu leben. Zu Lebzeiten haben wir alle die Wahl, Veränderungen zuzulassen und auf unser (bisheriges oder geplantes) Leben zu verzichten – um ein völlig neues, anderes, möglichst für uns allein oder mit anderen, denen wir uns stark verbunden fühlen, führen zu können – oder nicht.
Die Verantwortung dafür bzw. alles, was wir uns oder anderen, die uns vertraut haben, versprochen und nicht gehalten (oder was wir anderen, die uns vertrauenswürdig erschienen, geglaubt) haben, tragen immer nur wir selbst; vielleicht ja sogar über dieses Leben hinaus.
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Dank für das Foto gebührt Veit Hammer (auf Unsplash)!
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