In Würde altern …
… heißt für mich weder,
- den eigenen jugendlichen Leichtsinn zu verlieren und von einem kleinen, charmanten Dickkopf zu einem alten, verbitterten Sturkopf zu werden, der/die auf Einhaltung von Regeln pocht, die vor allem für alte, von ihrem eigenen Leben und den von ihnen errungenen Erfolgen entweder zu begeisterte oder enttäuschte Menschen Sinn ergeben, noch
- plötzliche körperliche und/oder geistige Verfallserscheinungen zu ernst oder als unumkehrbar, „natur-“ oder „gottgegeben“ hinnehmen zu müssen (weil man keine Möglichkeit, Zeit oder Lust hatte, sich biologische Kenntnisse anzueignen und sich mit sinnvoller, achtsamer Gesundheitsvorsorge zu beschäftigen, sondern sich nicht anders zu helfen wusste als sich auf Menschen zu verlassen, die sich HeilerInnen, HeilpraktikerInnen, Medizinmänner oder -frauen bzw. ÄrztInnen nennen und versprochen haben, Menschen immer wieder von ihren Leiden zu befreien) oder
- von Jüngeren Respekt zu fordern, ohne dass man ihnen beweisen müsste oder überhaupt könnte, dass man sich tatsächlich ihren Respekt verdient hat (weil das, was sie in ihrem Leben erreicht haben, besonders oder überhaupt tatsächlich rücksichtsvoll gegenüber anderen und nicht nur zuvorkommend-höflich – so wie es ihnen beigebracht wurde oder wie sie es sich selbst eingeredet haben – gewesen wäre).
In Würde altern heißt für mich, würdevoll die Konsequenzen für das eigene Leben, vor allem auch für die eigenen Versagen, tragen zu können: Also
- nicht nur mit einem Lächeln über die „guten alten Zeiten“ und die eigenen Erfolge zu sprechen oder auch am Ende noch zufrieden darüber lächeln zu können, dass man sich selbst das Leben (vor allem das menschliche Miteinander) oft etwas zu leicht vorgestellt oder sich selbst über lange Zeit viel zu ernst genommen hat,
- sondern auch – wenn man sich hoffentlich spätestens in fortgeschrittenem Alter damit auseinandergesetzt hat – anderen möglichst viel davon zu erzählen, was man der eigenen (Lebens-)Ansicht nach anders, besser machen könnte.
Ein schadenfrohes Lächeln nach dem Motto „Mach‘, Du naives Kind, erst einmal all meine Erfahrungen, bevor Du mich weiter mit Deinen Träumereien belustigst“, hat noch niemandem Würde verliehen oder nachhaltig dazu beigetragen, die Welt für nachfolgende Generationen einfacher oder schöner zu machen. Vermutlich haben viele der heute Alten in ihrem Leben die Würde anderer nicht nur im übertragenen Sinn – mit beleidigenden Worten – mit Füßen getreten, sondern wurden auch selbst von anderen tief gedemütigt … Deshalb sei ihnen jedes zufriedene Lächeln gegönnt.
P.s.: Die Trauer über eine „verlorene“ oder vermeintlich verpasste Jugend, weil man sie gefühlt nicht ausleben konnte, lässt sich meiner Meinung nach genauso in fünf Phasen unterteilen wie jeder andere natürliche Zyklus (bis zu einem Neuanfang):
Neugier und Freude über eine neue, angenehme bzw. unbewusste Verdrängung oder bewusste Ignoranz einer unangenehmen Entdeckung oder Erfahrung“;
Herstellung von Verknüpfungen im Gehirn oder Rest des Körpers bzw. Einordnung der neuen oder unbewusstes Erfahren von alten, damit verbundenen Gefühle wie Angst oder Wut über eigene Handlungsunfähigkeit oder Ohnmacht in der Vergangenheit;
Bewusste oder unbewusste Mobilisierung der eigenen Ideen und/oder Körperkräfte, um etwas Neues daraus zu erschaffen bzw. mit den bisherigen und neuen Lebenserfahrungen weiterleben zu können;
Verhandlungen mit sich selbst oder sie Suche nach Gleichgesinnten, mit denen man sich einig werden kann, um sich zu versichern, dass man bisher „richtig“ gehandelt hat und das eigene Leben Sinn ergibt;
innere Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem Ergebnis bzw. Verständnis für das, was dabei herausgekommen ist, weil sich nur das daraus ergeben konnte; Akzeptanz oder Nicht-Akzeptieren des eigenen Schicksals, das in diesem Leben nicht umgangen wurde.
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Dank für das Foto gebührt Mathias Csader (auf natur-highlights.de: Kambodscha-Archiv)!
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