Von (Un-)Dankbarkeit und (Un-)Schuld

Menschen, die noch nach Jahrzehnten Dankbarkeit von anderen für etwas erwarten, das sie – oft angeblich freiwillig – für sie getan haben, zeigen mir mit ihrer Enttäuschung, dass ihnen das, was sie vielleicht als Dankeschön in Worten, mit Blicken oder einem Händedruck oder mit einer Umarmung bekommen haben, nicht als Gegenleistung dafür genügt hat.
Die wahren Undankbaren – enttäuscht von sich selbst? – sind in meinen Augen also selten die, für die etwas getan wurde, das sie sich auch gewünscht haben bzw. über das sie sich auch tatsächlich gefreut haben.

Ehrliche Freude, Liebe und Freiwilligkeit oder Uneigennützigkeit, die das natürliche Bedürfnis begleiten, entweder selbst Dankbarkeit auszudrücken oder etwas, das man selbst übrig und zu viel hat oder nicht mehr braucht, zu schenken, lassen sich auch nicht davon trüben, dass man es vielleicht mit dem gewählten Geschenk nicht schafft, dieselbe oder eine gewünschte Freude und Dankbarkeit auszulösen.
Enttäuschung (und daraus wiederum Schuldgefühle beim Gegenüber; denn Enttäuschungen können die wenigsten Menschen gut verbergen) entstehen erst durch Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt werden: im Grunde Zwänge bzw. Zwangshandlungen, die sich Menschen angewöhnt haben bzw. die ihnen anerzogen wurden.

Für mich ist es eine Unsitte, keine gute Erziehung, DANKE für etwas zu sagen, was ich gar nicht haben möchte.
Für mich ist es eine Lüge, gegen meine natürlichen Bedürfnisse zu verstoßen und dankbar für etwas sein zu sollen, wofür ich keine echte Dankbarkeit fühle.
Ich bin dankbar, dass ich mich heute nicht mehr schuldig fühle, wenn ich etwas dankend ablehne – wie z.B. die Gesundheits- und Hygieneempfehlungen von Menschen, die davon leben, dass es kranke Menschen gibt.

Ich stelle immer häufiger fest, dass das andere Menschen genauso sehen.
Und ich bin dankbar, dass wir (in Deutschland) vielleicht langsam aus einem alten Kreislauf ausbrechen, den sich vermutlich Menschen mit berechtigten Schuldgefühlen überlegt haben, um sich weniger schuldig (an den Vergehen am Leben anderer Menschen) und dafür dankbar (für das Leben, das ihnen geschenkt wurde und geblieben ist) zu fühlen.

P.s.: Mich bringt die Natur jeden Tag neu zum Staunen, aber fast am meisten erstaunen mich Menschen, die sich einreden (lassen), sie hätten anderen Menschen ihr Leben geschenkt, gerettet oder zurückgegeben – ohne dass sie darum gebeten wurden und/oder sie gezielt eine akute Lebensrettungsmaßnahme durchgeführt hätten – und dafür erwarten könnten, dass jede/r andere das auch für sie tun würde, egal wie sie ihn oder sie sonst behandeln.

 

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Dank für das Foto gebührt Ehud Neuhaus (auf Unsplash)!

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