Oder ist Deine Angst vor Verbundenheit, vor Verschwörungen anderer und dem Alleinsein größer als Du denkst?
Menschen als soziale Wesen fühlen sich von Natur aus anderen Menschen verbunden, die entweder sehr ähnliche Interessen oder ähnliche Probleme haben wie sie selbst, und dagegen – wenn es ihnen schwer fällt, sich einzufügen, und sie keine einfache Möglichkeit dazu geboten bekommen – ausgeschlossen von Verbindungen anderer.
Mit Hilfe von (digitalen) Medien können sich heute auch einsame, freiwillig ungebundene und von anderen getrennte oder ausgeschlossene Menschen leicht sozial vernetzen und sich mit anderen (einsamen) Menschen gemeinsam nicht mehr einsam fühlen; dabei genauso bleiben, wie sie sind, ohne dafür einen Finger krumm machen zu müssen: jede/r alleine, so wie er oder sie sein und aussehen will, in den eigenen vier, auch ungeputzten, Wänden oder alleine unterwegs in einer Welt voller Menschen. Menschen auf der ganzen Welt sind heute – Technologie sei Dank – mehr miteinander verbunden, „connected“, als je zuvor in unserer Menschheitsgeschichte. Dass genau deshalb – weil wir es uns so schön einfach und bequem machen können, uns mit anderen, völlig unbekannten Menschen zu verbinden –
- so viele Menschen getrennt und einsamer leben als je zuvor,
- weiter zu ihren Familien oder besten FreundInnen fahren müssen als je zuvor,
- natur- oder ich-entfremdeter und kränker sind als je zuvor – wer möchte sich schon verbunden fühlen mit einem gestressten, allergiegeplagten, übergewichtigen oder schmerzenden Körper? – und
- in Notsituationen oder im Alter und bei Krankheiten von fremden Menschen versorgt werden (müssen), also genau dann, wenn sie Menschen in ihrer unmittelbaren Nähe gebrauchen könnten, mit denen sie sich verbunden fühlen,
ist nur meine eigene menschliche Verschwörungstheorie, in Verbindung mit meinen Natur- und Menschenbeobachtungen sowie Biologiekenntnissen gegen das moderne Streben nach Optimierung, Vereinfachung, Schnelligkeit, Sicherheit, Effektivität – mit Hilfe von (bio-)technologischen Tests und Hilfsmittel.
Menschen können, wenn sie sie aufrechterhalten oder trainieren wollen, ihre menschlichen Fähigkeiten und Eigenheiten nicht an elektronische Geräte abgeben. Niemand kann einen anderen Menschen über eine Kabel oder WLAN-Verbindung kennenlernen, ohne ihn oder sie je persönlich, von Angesicht zu Angesicht, getroffen zu haben; ohne je in seine oder ihre Wohnräume eingeladen worden zu sein; ohne ihm oder ihr auch mal unangekündigt die eigene Wohnungstür zu öffnen.
Es gibt zwar natürliche – körperliche oder über weitere Entfernungen auch geistige oder seelische – Anziehungskräfte zwischen Lebewesen, die automatisch – auf chemischen oder physikalischen Reaktionen beruhend – euphorische oder beruhigende Gefühle, leuchtende Augen, Gänsehaut, plötzliche Ideen im Kopf oder seltsame Gefühle in der Magengegend u.ä. hervorrufen können, die Menschen dazu verleiten, sich Situationen oder anderen zu nähern, sich auf sie einzulassen oder mit ihnen zu verbinden oder sicherheitshalber von ihnen fernzuhalten oder zu entfernen. Aber wir lernen erst durch unsere praktischen Bindungserfahrungen – schöne wie schmerzhafte -, wie gut wir uns selbst kennen und auf unser natürliches Gespür verlassen können, also welche Menschen uns tatsächlich helfen oder uns gut ergänzen, mit welchen wir uns wohl fühlen und welche davon unser Vertrauen missbrauchen, so dass wir sie besser baldmöglichst wieder loslassen oder loswerden sollten, wenn wir uns an sie oder sie an uns gebunden haben.
Auf körperlicher Ebene spüren die meisten von uns vielleicht noch gut, wenn eine Verbindung sich lockert oder auflöst, ein Griff zu fest oder sogar eine Fessel angelegt wird, auf geistiger Ebene wird es für viele schon schwieriger zu beurteilen und auf seelischer bemerken viele erst, welche Bindungen ihnen fehlen oder schaden, wenn sie davon krank werden.
Wenn Du entweder denkst oder sogar erwartest, dass Bindungen, zum Beispiel zu FreundInnen, Deinen Kindern oder Eltern bedingungs- und kompromisslos auf alle Ewigkeit sind oder sich auch leicht lösen lassen, dadurch dass Du das einfach beschließt, bedenkst Du vermutlich nicht, dass sie auf gemeinsamen Erfahrungen und genseitigem Interesse beruhen, auf einstigem Vertrauen und Respekt oder gegenseitiger Unterstützung, auf Dankbarkeit oder Pflichtgefühlen und Abhängigkeiten oder Vereinbarungen und gegenseitigen Versprechen. Verbunden kann man sich erst fühlen, wenn man weiß, also sicher sein, spüren kann, dass die (Ver-)Bindung auf Gegenseitigkeit beruht – dass man sie spürt, weiß, dass einem jemand die Hand entgegenstreckt, oder sicher sein kann, dass er oder sie sie annimmt, wenn man das selbst tut.
Wenn Du Dich fragst, warum jemand die Hand nicht nehmen will, die Du ausstreckst, dann frag‘ entweder Dich selbst oder ihn bzw. sie nach dem Warum. Menschen können leicht den Eindruck erwecken, sie wollten andere mit in einen Abgrund – z.B. den ihrer Launigkeiten und Willkür oder Krankheiten – ziehen anstatt sich mit ihnen zu verbinden (um es zu schaffen, daraus herauszukommen und etwas Schönes, Neues, Gemeinsames zu erschaffen); und manchen Menschen, vor allem ehrgeizigen, sollte man besser nicht einmal den kleinen Finger hinstrecken.
Ich kann heute – nach vielen Jahren meiner Recherchen und privaten Studien als Biologin, als Lebenswissenschaftlerin im menschlichen Alltag – jeden Tag mehr Verbindungen zwischen Menschen und allen anderen Lebewesen, also innerhalb der Natur, auf unserer Welt oder in unserem Universum erkennen; ich kann selbst neue aufbauen oder auch trennen und loslassen, wenn sie mir unangenehm werden – während ich sie in ihrer beständigen Veränderung, ihrer Evolution, möglichst aufmerksam und neugierig beobachte, auf seelisch-emotionaler Ebene spüre, verstehe oder körperlich erfahre, mich und mein Leben also auch damit verbunden fühle, ohne mich als davon oder darin gefangen zu empfinden.
Weißt Du schon, mit wem Du heute verbunden bist oder Du Dich – nicht mehr oder neu – verbinden willst?
Denke nie, zu alt oder krank dafür zu sein, um das noch zu tun – denn irgendwo gibt es bestimmt jemanden, der oder die sich Dir verbunden fühlt und nicht zu alt oder krank ist, um eine Verbindung mit Dir einzugehen oder Dir Deine Verbindung zu Deinem Leben, zu unserem wunderschönen Planeten, den Menschen – auch den verrücktesten oder hässlichsten -, zur Natur, zu Tieren, Pflanzen, Pilzen, ja selbst Bakterien und Viren zu erklären. Du musst ja nicht allen Deine Hand reichen.
Angst oder Abscheu vor ihnen lohnt sich allerdings nicht, denn Du kannst in diesem Universum, in dem alles miteinander verbunden ist, zwar denken, dass Du Dich von ihnen fernhalten kannst, aber stressfrei, gesund und glücklich wirst Du damit nicht ewig leben können.
P.s.: Besonders enge Verbindungen, die Menschen entweder ziehen und eingehen oder die sie zerreißen oder (unter-)brechen, sagen viel aus über andere, die sie vernachlässigen: zu einzelnen Menschen, vielleicht Kindern, oder vielen FreundInnen; zu allen oder nur bestimmten Tieren; zu Pflanzen, zu ihrem Essen und Lebensmitteln, Klamotten, ihrer Wohnung oder ihrem Haus, zu ihrem Auto oder anderen Dingen und bestimmten Produkten; zu Musik, Sportarten oder Kunstformen; anderen Ländern oder Sprachen; zu ihren Chefs oder Angestellten, DenkerInnen, MacherInnen, armen oder einflussreichen Personen; zu ihrer Haut, ihren Haaren oder ihrem ganzen eigenen Körper oder zu dem anderer; zu ihrer Gesundheit oder ihren Krankheiten; zu Leid und Schmerz oder möglichst viel Spaß; zu ihrem Leben und dem Tod.
P.p.s.: Die einzige Verbindung, die allen von uns immer bleiben wird (auch wenn wir sonst nichts hinterlassen) – obwohl die, die unser modernes gesellschaftliches, von Geld, Besitz und Konsum oder (bio-)technologischen Fortschrittsgedanken beherrschtes Leben weiter vorantreiben wollen, weil ihr Leben daran zu hängen scheint, uns davon trennen wollen – ist die zu unserer Natur. Du kannst sie Dir aber immer wieder zurückholen, wenn Du sie versehentlich verloren hast!
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Dank für das Foto gebührt Womanizer Toys (auf Unsplash)!