Warum Vorwürfe nicht automatisch unsportliches Verhalten sind
Und warum es kein Erfolgserlebnis ist, etwas hinzuwerfen
Schlaue, gewitzte Menschen neigen dazu, Worte zu verdrehen, die ihnen gefährlich scheinen, die ihre Schwachpunkte treffen könnten oder auf die sie keine Antwort haben, und anderen, weniger gewitzten oder zu vertrauensseligen Menschen damit etwas völlig anderes einzureden als das, worum es ursprünglich ging.
Vorwürfe werden Menschen, die nur darauf warten oder zumindest damit rechnen, dass ihnen etwas vor die Füße bzw. zugeworfen wird, nur als negativ empfinden, wenn sie schlecht darauf reagieren, im übertragenen Sinne also den Ball vielleicht zwar fangen, aber nicht zurückwerfen können, oder ihn mit einem Schläger nicht so treffen, dass er im Spiel bleibt.
Menschen, denen völlig egal ist, ob ihnen jemand etwas vor die Füße wirft, auch wenn sie davon getroffen werden, können Fluggeschosse entweder entspannt aufheben und zurückwerfen oder einfach liegen lassen.
Ich frage mich wirklich, wer es geschafft hat, Vorwürfe zu unsportlichem Verhalten zu erklären – vermutlich jemand, der oder die unachtsam durchs Leben ging, keine Lust auf (Ball-)Spielereien hatte oder die eigenen (Wurf-)Schwächen nicht kannte (oder sie besonders gut kannte, aber nicht zugeben wollte).
Genauso unverständlich und ungerechtfertigt erscheint mir übrigens der Stolz in der Stimme von Menschen, die davon berichten, dass sie etwas hingeschmissen hätten. Etwas selbst fallen lassen kann vermutlich jede/r; stolz auf ihre Gewitztheit könnten höchstens Menschen sein, die es am Ende so aussehen lassen können, als wäre es ein Unfall oder Einfall eines oder einer anderen gewesen, der oder die den Wurf oder Fall provoziert oder geplant hätte.
Es ist ein Unterschied, ob man etwas (schnell) hinwirft oder (langsam, bewusst und durchdacht) loslässt; aber auch die beiden Begriffe benutzen einige Menschen – vermutlich unbewusst, aus Unkenntnis oder undurchdacht – als würden sie dasselbe aussagen.
Die Welt ist voller verdrehter Wörter und Sätze, im Grunde voller Lügen – nur wissen das die wenigsten Menschen, die dem, was andere sagen, vor allem schulisch gebildete Menschen, blind vertrauen.
Ich wette, dass nicht einmal viele Menschen mit einem abgeschlossenen Studium oder sogar Professorentitel wissen, dass scholé im Altgriechischen Muße bedeutete, und dass der Satz „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ eine Verdrehung des ursprünglichen Non vitae sed scholae discimus war, mit dem der römische Philosoph Lucius Annaeus Seneca Kritik an den römischen Philosophenschulen äußerte.
Ich mache niemandem, der das noch nicht wusste, einen Vorwurf.
Aber ich werfe allen Menschen, die nie hinterfragen, was sie hören oder sagen, Denkfaulheit vor; denn von Natur aus oder „unheilbar“ dumme Menschen gibt es – genauso wie unsportliche – für mich nicht. Es ist alles eine Frage der Übung (oder Gewohnheit).
P.s.: Ich finde vor allem das Verhalten von Menschen unsportlich, die behaupten, ihnen dürfe man gar keine Vorwürfe machen; die andere dazu zwingen wollen, alle Bälle flach zu halten; die nur noch mit Schutzkleidung und Sicherheitsausrüstung das eigene Haus verlassen oder die andere vorschicken, um Bälle abzufangen. Das sind für mich die eigentlichen SpielverderberInnen oder zumindest Spaßbremsen, nicht die, die mit geäußerten Kritikpunkten zu den Schwächen von Fang- oder Wurftechniken andere dazu anspornen wollen, es zukünftig besser zu machen, also Interesse dafür oder sogar Freude am gemeinsamen Spielen (oder Leben) zu entwickeln.
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Dank für das Foto gebührt Kelly Sikkema (auf Unsplash)!
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