Menschliche Feindbilder
Der Teufel und die Bösen, der Russe, Juden, Nazis, Viren, der eigene Körper oder Querdenker und andere alltäglichen BegleiterInnen – Menschen, die Zwietracht säen und andere bekämpfen wollen, lassen sich immer wieder Neue einfallen
Es ist tatsächlich eine verquerte Welt, in der wir aktuell leben …
Aber Querdenken und dabei gedankliche Verstrickungen auflösen bzw. Zusammenhänge klarer sehen erfordert viel Zeit und Geistesarbeit.
Die haben vielbeschäftigte, moderne Menschen gar nicht, wenn sie sich um wichtigere Dinge kümmern müssen.
Kein Wunder also, dass „Querdenker“ zum neuesten Schimpfwort auserkoren wurde – damit niemand übereifrig damit anfängt nachzudenken: frei, also auch quer, selbst zu denken.
So wie auch niemand offen zugeben würde, dass er oder sie selbst nicht nur Gutes tut; Moralapostel für Gesandte des Teufels hält; Putin (oder auch Trump) weniger kriegstreibenden Ehrgeiz zumutet als Merkel oder Biden; die größten BetrügerInnen und VerbrecherInnen dieser Erde in den jüdischen Eliten vermutet oder Nazis als Menschen mit einem übertriebenen Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer künstlich geschaffenen Heimat, also verlorenene Seelen betrachtet, die sich genauso leicht von Menschen mit Machtinteressen – mit Angst vor ihrer eigenen Ohnmacht – instrumentalisieren lassen wie Menschen mit übertriebener Angst vor Viren oder Krankheiten und dem Tod.
Es hat seine Gründe, dass ich – seit ich ich erinnern kann – als Querdenkerin belächelt wurde. Neu ist, dass ich jetzt häufiger das Gefühl habe, dass ich als Gefahrenquelle betrachtet und bekämpft werde.
Ich bleibe optimistisch, dass die – in meinen Augen denkfaulen oder emotional abgestumpften, denn Nachdenken muss Freude bereiten, damit Menschen es tun – GeradeausdenkerInnen irgendwann auch noch die Verbindungslinien erkennen werden, die mit Schubladen (oder Mülltonnen) voll von Gedankengut anderer Menschen zugestellt sind.
Ich glaube nicht, dass alle FeindbilderschafferInnen automatisch MenschenfeindInnen sind; aber ich glaube, dass einige von ihnen so viel Ehrgeiz oder Angst haben, dass sie bereit wären, dafür in Kriege zu ziehen und Menschen zu beseitigen, die ihnen und ihren Zielen entweder im Weg stehen oder Todesangst einflößen.
Manchmal – wenn Zwietracht herrscht – muss man sich, selbst wenn man versucht, unparteiisch zu bleiben, entscheiden, auf welche Seite man sich stellt, vor allem, wenn der Graben dazwischen so tief wird, dass man den Spagat nicht mehr schafft.
Mich tröstet der Gedanke, dass ich auf einer Seite stehe, auf der alle Menschen willkommen sind, ob Ausländer, Nazi oder Querdenker, auf der also allen die Hand gereicht wird; und deshalb fühle ich mich auch auf der sicheren Seite, die Bestand haben und nicht wegbrechen wird – weil ich glaube, dass wir viel mehr sind als ein paar wenige Menschen, die gerne ihr weiteres Leben lang Masken tragen oder sich jedes halbe Jahr mit etwas impfen lassen möchten, vor dessen unvorhersehbaren Nebenwirkungen sie vielleicht wirklich Angst haben sollten.
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Dank für das Foto gebührt Marc-Olivier Jodoin (auf Unsplash)!
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