Menschen verstehen lernen I

Was wir nicht von LehrerInnen lernen können, die lehren, was sie selbst noch nicht verstanden haben

Menschen meinen oft nicht, was sie sagen.
(Zu-)Hörer verstehen wahrscheinlich noch öfter nicht, was Menschen mit dem meinen, was sie sagen.

An einen meiner Lieblingssprüche, den ich schon zu Schulzeiten von LehrerInnen, aber auch im Familien- und Freundeskreis im Laufe meines Lebens wiederholt zu hören bekommen habe, wurde ich kürzlich wieder erinnert: „Ich werde keine Grundsatzdiskussion mit Dir/Ihnen führen!“

Ich habe lange Zeit selbst nicht verstanden, warum Menschen denken, ich wolle überhaupt mit ihnen diskutieren.
Denn ich will im Prinzip nur sagen, was ich denke, gelesen oder gehört habe oder aus eigener Erfahrung weiß.
Und das wiederhole ich dann auch gerne, wenn ich den Eindruck habe, andere verstehen das bzw. mich nicht.

Heute weiß ich, dass oben genannter Satz ganz unterschiedliche Bedeutungen haben kann, von

  • „Ich habe keine Zeit oder Lust, mich mit diesem Thema zu beschäftigen.“ über
  • „Ich habe gar keine Ahnung von dem Thema.“ bis
  • „Mir gehen die Argumente dagegen aus, dass das, was Du sagst, Sinn ergibt.“

Seitdem ärgere ich mich nicht mehr, wenn andere Menschen Gespräche so beenden.
Ich weiß, dass nicht alle so viel Energie haben wie ich bei Themen, die mir am Herzen liegen (und davon gibt es viele, die unser aller Leben betreffen!).
Ich weiß auch, dass es Themen gibt, bei denen ich mir Ausreden …, nein, ich meine natürlich Erklärungen, einfallen lasse, warum

  • ich keine Zeit oder Lust habe, mich mit ihnen zu beschäftigen,
  • ich im Prinzip auch gar keine Ahnung davon haben will.

Dass mir die Argumente dagegen ausgehen, dass das, was andere sagen, auch für mich Sinn ergibt, passiert mir allerdings selten.
Als Wissenschaftlerin habe ich gelernt, Schwachstellen in der Argumentation anderer zu entdecken.
Mittlerweile verstehe ich aber immer mehr, wie ich sie sinnvoll und friedlich nutzen kann, ohne dass also eine Diskussion daraus werden muss.

Das ist das schöne am Verstehen-lernen: Man entwickelt Verständnis füreinander, so dass irgendwann die Wut und Verzweiflung darüber aufhört, dass man sich unverstanden fühlt oder einfach nicht versteht, was andere und aus welchen Gründen sie es tun.

Ich wünsche Dir, dass Du heute mehr verstehst als gestern und Dir genauso viel Verständnis entgegengebracht wird, wie Du bereit bist aufzuwenden!

P.s.: Bei mir hat das schon früh am Morgen funktioniert, so dass ich mit den positiven Erfahrungen hoffentlich weiter gut durch den Tag komme; denn eine Garantie gibt es leider nicht dafür, dass man andere „richtig“ oder „falsch“ verstanden hat, dabei muss man sich auf das eigene Gefühl verlassen (können) – und das können nicht sehr viele Menschen, sagt mir mein biologisch geschulter Verstand, meine Erfahrungen, vielleicht auch mein Gefühl. Mir genügt es jedenfalls zum Verständnis.

P.p.s.: „Damit ist die Diskussion für mich beendet!“ ist übrigens das Eingeständnis einer Niederlage des Lauteren und kein Sieg des- oder derjenigen mit den besseren Argumenten; aber das wissen die meisten wahrscheinlich schon. Von Verständnis zeugt es, wenn Menschen es nicht bis zu diesem Punkt (oder vielmehr Ausrufezeichen) kommen lassen, sondern ein Seite rechtzeitig einlenkt, um zu klären, ob das Diskussionsthema zunächst als „ungeklärt“ abgehakt oder das Gespräch – falls Klärungsbedarf herrscht – zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt werden soll.

 

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Dank für das Foto gebührt Jordan Rowland (auf Unsplash)!

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