Die angeborene Blauäugigkeit der Menschen
Warum es Vor- und Nachteile hat, sich (nicht) bis in die Seele blicken zu lassen
Wir Menschen kommen mit blauen Augen auf die Welt – zumindest, wenn noch keine große Menge Melanin, das nach der Geburt und je nach Vererbung mehr oder weniger schnell unter dem Einfluss von Licht gebildet wird, das bläuliches Durchscheinen einer weiter hinten gelegenen Pigmantschicht überdeckt.
Die Augen sind das Tor zu unserer Seele, heißt es. Ich würde sagen, sie spiegeln uns unser eigenes Bewusstsein, zusammen mit allem Un- oder Unterbewussten. Je blauer die Augen, umso tiefer lassen sie blicken; aber tief blicken (lassen) kann nur, wer sich überhaupt in die Augen schaut (bzw. schauen lässt).
Als Kinder gehen wir noch mit weit offenen Augen, ungeschützt von Melanin oder anderen „Sicherheitseinrichtungen“ unseres Körpers und Geistes, durch die Welt; denen, die uns dabei helfen, zu wachsen, die uns versorgen, bis wir groß genug werden, um unser Leben irgendwann selbstständig führen zu können, vertrauen wir nicht nur blauäugig, sondern oft blind.
Das ist einerseits sinnvoll, denn immerhin haben sie es geschafft, selbst groß und – wie wir glauben – zumindest einigermaßen selbstständig überleben zu können, andererseits müssen wir oft irgendwann mit Erschrecken feststellen, dass das, was uns von klein auf von ihnen beigebracht oder vorgelebt wurde, verletzend, schmerzhaft oder sogar grausam war oder ist, und nur in ihren Augen alternativlos.
Menschen können nur wissen und weitergeben, was sie selbst gelernt und erfahren oder eingesehen haben.
Als Blauäugige erfährt man im Leben wahrscheinlich vor allem entweder Komplimente, Neid oder Spott.
Tiefgründigkeit und ein Seelenleben hat in der modernen, vor allem westlichen Welt eher wenig Platz.
Viele Blauäugige spielen die Erwachsenenspiele also mit:
- Sie halten sich entweder selbst für doof, stellen ihr eigenes Licht sozusagen unter den Scheffel und resignieren vor der Dunkelheit oder den unzähligen Irrlichtern in der Welt;
- sie stellen sich gezielt dumm (an) und nutzen menschliche Hilfsbereitschaft aus;
- oder sie gehen weiter blauäugig durch die Welt, sehen also mehr als Menschen, deren Augen (oder Seelen?) sich von Natur aus oder im Laufe ihrer Entwicklung vor vielen Eindrücken schützen.
Es hat vor und Nachteile, wenn andere nicht wissen, was in einem selbst vor sich geht.
Aber ich habe den Eindruck, immer mehr Menschen entwickeln einen Blick dafür, dass etwas nicht stimmt, vor allem mit den guten Seelen unter den Menschen; dass es immer mehr Seelenlose unter uns zu geben scheint oder zumindest Menschen, deren Handlungen oft gewissen- oder völlig leblos, seelenlos, zu sein scheinen.
Ich bleibe optimistisch, dass immer mehr Menschen nicht nur mehr von der Welt sehen, sondern auch – wieder oder endlich – mehr von den Menschen, vielleicht sogar von den anderen Tieren mit Augen, ob blau oder andersfarbig, wissen wollen und Fragen stellen, während sie ihnen in die Augen schauen.
Wundere Dich nicht, wenn Du darin nicht nur Lebensfreude und Optimismus oder viele schöne Erfahrungen, sondern auch tiefe Trauer oder Wut blitzen siehst.
Meine Augen schützen sich und mich – vielleicht aber auch andere, die hineinschauen wollen – gerade am liebsten mit Tränen.
Aber irgendwelche Selbstschutz- oder -verteidigungsstrategien brauchen eben auch naive, friedliebende Menschen, die gerne mit weit offenen Augen durchs Leben gehen – vor allem, wenn sie dann auch noch ihre Ohren nicht bewusst verschließen wollen -, und die es Leid sind, dafür Worte oder Körperkraft einzusetzen, während sie anderen Menschen weiterhin in die Augen schauen wollen, in denen sie immer mal wieder ziemlich verlorene Seelen erkennen können.
P.s.: Lebendigkeit zeigt sich für mich nicht allein an offenen Augen, einem beweglichen Körper oder einem regen Geist, und solange in leblos wirkenden Augen, Körpern oder Geistern ein Herz schlägt, wohnt darin meiner Meinung nach eine lebendige, manchmal gut versteckte Seele. Ich finde es naiv zu glauben, dass Menschen und alle anderen Lebewesen keine Seele bräuchten, um geboren zu werden, am Leben zu sein oder weiter zu bleiben.
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