Lust auf Wellenreiten?

Statt Auf-Corona-Wellen-Herumreiten (die schon längst in eine Grippewelle übergegangen sein könnten)?

Ich liebe das Meer und ich liebe es, den Wellen zuzuhören oder zuzuschauen oder Lebewesen dabei zu beobachten, wie sie dieses Naturschauspiel für eigene Zwecke nutzen.

Mir persönlich genügt es, den Anblick von Menschen zu genießen, die Spaß daran zu haben scheinen, sich mit Brettern in die Wellen zu stürzen, um damit sogar auf ihnen zu reiten.
Als Biologin weiß ich, dass vor allem alles Neue, was wir Menschen lernen können, enorme Energie kostet, die wir  erst einmal übrig haben müssen bzw. die wir vorausschauend, in der Überzeugung, dass es sich lohnen wird, investieren müssen.
Surfen „kostet“ Mut, also Überwindung und eine vorausschauende Einschätzung der Gefahr, die von Wellen ausgehen kann.
Ich stelle mir vor, dass es sinnvoll ist, sich erst einmal erklären zu lassen, auf was alles geachtet werden könnte – mit den eigenen Augen, Ohren oder der eigenen Haut, und ich vermute, es ist irreführend, allein auf bereits gespeicherte Vorerfahrungen in anderen Zusammenhängen zurückgreifen zu wollen, also Erfahrungen auf Schnee oder festem Boden damit gleichzusetzen.
Ich wette, dass besonders ängstliche Menschen sich sogar von jeder unsinnigen Wetter-Prognose – z.B. allein auf der Messung von Wellenhöhen beruht, um zu beweisen, dass gerade ein Sturm heranzieht oder der letzte noch gar nicht vorbei ist – davon abhalten lassen würden, es überhaupt zu versuchen.

Nur, wer sich etwas wirklich in den Kopf gesetzt hat, das er/sie gerne tun möchte, lässt sich nicht mehr gleich vom ersten Gegenargument davon abbringen und beginnt, weitere Fragen zu stellen, sich vermutlich neue Gegenargumente anzuhören und immer umfasseder abwägen, welche Risiken in Kauf genommen werden sollen, um am Ende möglichst voll auf seine Kosten zu kommen.
Wenig überzeugend finde ich persönlich die Argumentationsweise, zur Sicherheit so lange ganz zu Hause bleiben und mich nur auf die Nachrichten zu verlassen, die mir erzählen werden, dass die nächste große Welle doch noch beweisen wird, dass schon lange ein schwerer Sturm wütet.
Ich verschwende nicht gerne „sicherheitshalber“ unnötig (Lebens-)Zeit, ich frage lieber Menschen, die sich mit den Verhältnissen vor Ort auskennen könnten. Zwischenzeit gar nicht unnötig abgewartet habe. Daraus habe ich schon viel gelernt – auch dass es sich manchmal doch lohnt, etwas abzuwarten bzw. selbst die eigenen Sinne mehr zu nutzen (z.B. bevor man völlig unvorbereitet auf einen Regenschauer das Haus verlässt). Dafür trage ich aber immer wieder gerne selbst die Verantwortung. Ich lasse mir nicht gerne meine wertvolle Lebenszeit (plus meine wertvollen Erfahrugnen) von Menschen nehmen, die ein höheres Sicherheitsbedürfnis haben als ich. Ich würde aber auch nie jemandem anderen vorschreiben, alles mitzumachen, was ich tue.
Ich gebe Menschen, die Wert auf meinen Rat legen, die ich aber als selbstverantwortliche Mitmenschen respektiere bzw. für deren Entscheidungen ich auch gar nicht die Verantwortung übernehmen möchte, lieber alle möglichen Informationen an die Hand geben, die ich selbst habe, erkläre und zeigen ihnen alles, was ich selbst schon weiß, um sie am Ende selbst entscheiden zu lassen, ob sie meiner Entscheidung dann immer noch folgen möchten oder lieber ihre eigene treffen.

Von dieser Denkweise lassen sich natürlich wenige Menschen begeistern, also von dem Hinweis auf Selbstverantwortung abschrecken, die z.B. gar kein Interesse am Wellenreiten haben oder die sich das nie trauen würden, weil sie auch gar nicht wüssten, was sie machen sollten, wenn sie sich dabei verletzten.
Diese Denkweise missfällt vermutlich auch besonders führsorglichen, sicherheitsbedachten, ängstlichen Menschen mit großen Verlustängstendenen, denen es generell schwer fällt, andere ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen. Ich muss in letzter Zeit – wenn ich mich in meiner Mit-Welt so umsehe – oft an meine länger verstorbene Oma denken, für die vermutlich immer vieles, was ich getan habe,  „unverantwortlich“ war.

Auch wenn ich mich wie gesagt selbst noch nie in die Wellen gestürzt habe, um auf ihnen zu reiten, bin ich froh darüber, dass andere mir zeigen, dass es möglich ist und Spaß machen kann.

Ich bin froh, dass es Menschen gibt, die mir zeigen, welche Möglichkeiten wir Menschen haben und nutzen können, wenn wir nicht bereitwillig und unkritisch jeder „Obrigkeitsempfehlung“ folgen (vor allem, wenn diese immer unmenschlicher ausfallen, also gleichgültig gegenüber Schicksalen, die nur auf das „Regiment“ zurückzuführen sind …).
Es macht mich traurig, dass so viele Menschen heute bereitwillig keine Empathie – keine Ängste, keine Wut, keine Verzweiflung, aber auch keine Freude – mehr zeigen, also ihr Gesicht teilweise sogar freiwillig hinter einer Maske verstecken, um nicht offen darüber sprechen zu müssen.
Ich gebe allen Menschen gerne Rückendeckung, die sich über Verbote hinwegsetzen, die aus einem übertriebenen Sicherheitsdenken heraus entstanden sind – solange sie also unser aller Leben dabei schöner und bunter, natur-, umwelt- und menschenfreundlicher, friedlicher, gemeinschaftlicher, gesünder und glücklicher machen.
Und ich fühle mich glücklich, weil ich sicher bin, dass es auch ein paar gibt, die das für mich tun würden; die mir auch noch beistehen würden, wenn ich – statt nur den Anblick von Wellen zu genießen – mich vielleicht doch irgendwann dafür entscheiden sollte, auf ihnen reiten zu wollen und mir dabei alle Knochen brechen würde.

P.s.: Einfach zu versuchen, auf einer (Corona-)Welle anderer mitzutreiten, also alles genauso zu nachzumachen wie andere es vorgeben – ohne sich selbst ein Bild davon zu machen, welche Sicherheitsvorkehrungen aus allen möglichen eigentlich gewählt wurden und welche Gefahren betrachtet oder welche außer Acht gelassen wurden – kann für jeden Einzelnen unterschiedlich enden: es kann zufälligerweise alles genau so passen, so dass man während des ganzen Ritts und auch hinterher zufrieden ist; es kann von Anfang bis zum Ende totlangweilig sein, weil viel zu viele Sicherheiisvorkehrungen getroffen wurden; oder die ganze Sache kann ein einziger, nie-enden-wollender Horrortrip werden, weil man z.B. nicht sehen wollte, dass VorreiterInnen sich gerne zusätzlich absichern, also ganz eigene Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit für sie der Ritt so angenehm wie möglich wird und damit sie am Ende auch nicht die Verantwortung für alle „Mitreisenden“ übernehmen und ihnen eventuell helfen müssen, wieder auf die Beine zu kommen.

 

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