Ein dunkles, trauriges Kapitel der Naturforschungsgeschichte
Schon 1956 hat der Schweizer Biologe, Zoologe, Anthropologe und Naturphilosoph, also Lebenswissenschaftler Adolf Portmann die Spaltung in Naturkundige, Natralisten, und NaturwissenschaftlerInnen, Scientisten, beschrieben.
(Ich persönlich glaube übrigens schon lange nicht mehr, dass Geschichte sich nicht wiederholt, sondern dass sie sich automatisch im Kreise dreht, wenn die Menschen sie nicht bewusst umschreiben!)
„Bedenklicher ist ein anderer Zustand, der wenig beachtet wird: daß die beiden Formen des naturforschenden Menschen, die natürlich auch in mannigfaltigen Kombinationen auftreten, heute nicht mehr einfach nebeneinander und gleichgeachtet vorkommen – daß unsere Zeit schon seit geraumer Weile eine Entscheidung getroffen und durch ein Werturteil zugunsten des Naturforschers getroffen hat. Damit fällt seit einigen Jahrzehnten schon die Wahl des Zeitalters auf den Wissenschaftler, den Scientisten; der „Naturalist“ aber wurde zu einer mehr peripheren, jedenfalls zweitrangigen Gestalt, zu einer oft leicht schrulligen, kauzigen, altmodischen Figur, wenn nicht gar zum überlebten Original.
In Verbindung mit dem Machtwillen haben sich die führenden Mächte des Zeitgeschehens die Beherrschung der Naturerscheinungen zum Ziel gemacht – ein Ziel, das in der eigentlichen Wissenschaft nie ein Ende, sondern ein Mittel zur Erkenntnis ist. Nicht nur die physikalisch-chemische Forschung ist in eine Phase technischer Dominanz getreten, wo die praktischen Ziele der Gesellschaft die Verteilung der Forschungsmittel bestimmen – auch aus der Biologie wächst heute eine mächtige Biotechnik hervor, die nicht nur immense Fabriken und Laboratorien hat, sondern auch geistige Werkstätten, wo Schlagworte für politische Zwecke aus der Lebensforschung geprägt werden, Parolen, deren Wirkung uns an das dunkle Problem der politischen Biologie mahnen, an eine Biotechnik der Meinungsbildung, die mit der Niederlage Hitlers nicht verschwunden ist. …“
aus: Adolf Portmann (1956) Biologie und Geist, Rhein-Verlag Zürich (Seite 88)
Mir wurde schon öfters unterstellt, ich sei technikfeindlich; vielleicht bin ich aber einfach nur ein bisschen altmodisch.
Ich glaube aber z.B. auch, dass der „Kampf gegen Viren“ ein utopisches, unerreichbares Ziel ist.
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Dank für das Foto gebührt Mathias Csader! (https://csader.de)
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